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Über Günter Rüffer

Aufgewachsen bin ich als Ältester von drei Geschwistern in Buchau. Meine Eltern schenkten uns eine behütete und sorgenfrei Kindheit, für die ich ihnen noch heute dankbar bin. Mit den Kindern des Dorfes trafen wir uns häufig auf dem Bolzplatz oder zum „Indianer und Cobwoy“ spielen, und da konnte ich schon recht lebhaft werden. Ich verbrachte aber auch gerne Zeit in der Natur, las Bücher oder dachte mir Geschichten aus, die ich dann zu Papier brachte. Weil ich zu der Zeit noch keinen Schreibtisch besaß, setzte ich mich in meinem Zimmer auf den Boden vor den Kasten, in dem meine Mutter ihr Akkordeon aufbewahrte. Der Kasten war etwa dreißig Zentimeter hoch und vorne abgeschrägt, so dass ich meinen Block darauf legen konnte. Hier entstanden die ersten handgeschriebenen Geschichten – Geschichtchen wohl eher, denn sie waren meist nicht länger als fünf oder sechs Seiten. Ich gab mir aber Mühe, sie mit dem Füller fein säuberlich und gut lesbar niederzuschreiben. Einen Schreibtisch bekam ich, als ich zwölf war. Ich besitze ihn noch heute. Inzwischen verfasse ich meine Texte am PC, obwohl ich noch viel mit der Hand schreibe, vor allem wenn ich Ideen entwickle. Dadurch spüre ich eine innige Verbindung zum Text, die mir hilft, mit der Geschichte zu verschmelzen. Während des ganzen Schreibprozesses tauche ich ein in die Story, schlafe mit den Gedanken daran ein und wache morgens mit ihnen auf. Dabei versuche ich einen geregelten Rhythmus einzuhalten. Um sieben Uhr stehe ich auf, mach mich im Bad frisch und frühstücke: Zwei Scheiben Toast mit Käse oder Marmelade, dazu Kaffee und ein Apfel. Nachdem ich gegessen und die Tageszeitung gelesen habe, ist es etwa acht Uhr und ich ziehe mich in mein Arbeitszimmer zurück, zünde eine Kerze an und setze mich an den Schreibtisch. Drei oder vier Stunden schreibe ich. Anschließend esse ich zu Mittag, gefolgt von einem Nickerchen auf dem Sofa. Den Nachmittag über verbringe ich Zeit mit der Familie, gehe spazieren und mache Sport, bevor ich mich um 18 Uhr mit einer Tasse heißem Tee wieder an den Schreibtisch setze und mindestens drei Stunden arbeite. Häufig werden es aber vier oder fünf. Weil es wichtig für mich ist, diesen Schreibfluss nicht zu unterbrechen, arbeite ich wochenlang durch, auch sonntags. Ist das Manuskript zu Ende geschrieben, lege ich es erst einmal weg, beschäftige mich mit anderen Ideen oder genieße einfach die Freizeit, bevor ich es nach einem Monat wieder hervor hole. Inzwischen habe ich etwas Abstand gewonnen und beginne, den Text zu überarbeiten. Erst dann biete ich das Manuskript einem Verlag an. Dass der Schreibprozess, die Suche nach einem geeigneten Verlag und letztendlich der ersehnte Erfolg nicht ohne Hürden einhergehen, dass es oft ein abenteuerliches Unterfangen ist, bis das Buch beim Leser ankommt, will ich am Beispiel von „Aslak“ erzählen. Die Geschichte hinter Aslak. Den Roman um den germanischen Helden Aslak schrieb ich 1996. Damals noch auf der Schreibmaschine. Die Geschichte eines Mannes, der geächtet und von der Gesellschaft ausgegrenzt wird und der am Ende als Einziger sein Volk retten kann, sie entstand aus dem tiefen Bewusstsein, dass es oft nicht die Fürsten und Würdenträger, sondern die Unverstandenen, die Bescheidenen, die Unscheinbaren sind, die in der Not Großes vollbringen. Aslak war mein erstes Manuskript, das ich für gut genug hielt, um es als Buch herauszubringen. Doch an wen wenden? Ich hatte wenig Erfahrung und fühlte mich als unbekannter Autor nicht berufen, es einem der großen Verlage anzubieten. Ich entschied mich schließlich für eine Literaturagentur. Dort wurde geprüft und lektoriert. Eine wertvolle Dienstleistung, die ich heute zu schätzen weiß und dem Manuskript sicherlich gut getan hat, die aber auch viel Geld kostete. Die Agentur räumte Aslak gute Marktchancen ein, ohne dabei konkrete Angaben zu machen. Fehlte nur noch die Umsetzung in die neue deutsche Rechtschreibung, die in jenem Jahr eingeführt wurde. Auf Anraten meiner Agentin suchte ich mir ein Schreibbüro, weil es über die Agentur zu teuer geworden wäre. Ein solches befand sich nur wenige Kilometer von meinem Wohnort entfernt, so brachte ich Aslak dort persönlich vorbei. Schon nach wenigen Tagen erhielt ich den Anruf, das Manuskript sei in die neue Rechtschreibung gebracht und – man hätte Interesse an der Geschichte. Jetzt erst erfuhr ich, dass das Schreibbüro Teil eines Verlages war, und der wollte meinen Aslak veröffentlichen. War das ein Fingerzeig des Schicksals? Ich überlegte nicht lange. Während ich bei der Agentur nicht genau wusste, ob das Manuskript auch tatsächlich vermittelt werden konnte, so hatte ich hier doch eine sichere Zusage. Mir kam der Spruch in den Sinn: Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. Es wurden keine finanziellen Vorleistungen verlangt, nur der Titel sollte geändert werden. Aus Aslak wurde Sein Name war Aslak. Drei Monate später kam mein erstes eigenes Buch heraus. Es in Händen zu halten, zu spüren, zu riechen – das war schon ein wundervolles Gefühl. Denn Aslak war längst zu einem Teil von mir geworden. Eifrig ging ich sofort daran, Werbung zu machen. Die hiesige Presse sprang auch gleich darauf an. In den nächsten Tagen erschienen mehrere Artikel, die den Verkauf förderten. Es lief gut an. Ein Vierteljahr später kam der Verlag in Lieferschwierigkeiten – aus welchen Gründen, das konnte ich nie erfahren, was aber auch bedeutete, dass ich als Autor sowohl bei Buchhändlern als auch bei Leser:innen in Misskredit fiel. Im Jahr darauf das endgültige Aus: der Verlag gab seine Geschäfte auf. Aslak war somit vom Markt. Nicht mehr verfügbar. Diese Enttäuschung rüttelte an meinem Selbstvertrauen. Nur zögerlich begann ich wieder zu schreiben, Aslak aber schien mir zu diesem Zeitpunkt unwiederbringlich verloren, weil ich annahm, ein bereits erschienener Titel könnte nicht ein weiteres Mal veröffentlicht werden. 2006 war ich mit Die Tränen der Eiche bei einem Verlag in Erlangen unter Vertrag. Als der Verleger von Aslak erfuhr, fand er Gefallen daran und brachte ihn neu heraus. Es war also doch möglich. Natürlich war ich froh, dass auch andere Bücher von mir Anklang fanden, Aslak war und ist aber so etwas wie meine erste Liebe. Das Buch wieder auf dem Markt zu wissen, bedeutete mir deshalb viel. In den folgenden Jahren veröffentlichte dieser Verlag insgesamt vier Titel von mir und ich fand wieder Mut und Vertrauen zu meiner schriftstellerischen Arbeit. Dann auch hier das Aus. Nachdem der Verleger erkrankte, hörte der Verlag auf zu existieren. Jahre vergingen, in denen ich am PC saß, Romane und Erzählungen schrieb und Aslak im Bücherregal stand und mich traurig anschaute. Mich damit an Verlage zu wenden, scheute ich mich nun. Vielleicht aus der Furcht heraus, wieder enttäuscht zu werden. Doch es schien, als wollte Aslak, der germanische Krieger, seinen Kampf noch nicht aufgeben. Und ich, sein schöpferischer Vater, durfte ihn nicht im Stich lassen. Diesen Dienst war ich Aslak schuldig. Das Internet war seinen Kinderschuhen inzwischen längst entwachsen und offenbarte mir eine Vielzahl von geeigneten Verlagen, von denen ich vier anschrieb. Zwei davon antworteten mir und bekundeten Interesse. Für einen entschied ich mich schließlich – für den Rediroma Verlag. Siebenundzwanzig Jahre nach seiner „Geburt“ ist Aslak wieder da. Mit neuem, frischem Gesicht lächelt er mich an, als wolle er mir sagen: Verliere nie den Mut! Die Steine, die dir in den Weg geworfen werden, sie machen dich stärker, reifer und weiser. Vielen Dank Aslak. Und vielen Dank an den Rediroma Verlag.